Die Geschichte der fünf cubanischen Nationalhelden – oder warum es bis heute heißt „Obama give me five“
5 Köpfe, 5 Geschichten, 5 Namen: Gerardo Hernández Nordelo, Ramón Labañino Salazar, René González Sehweret, Fernando González Llort und Antonio Guerrero Rodriguez. Überall begegnen uns die Gesichter dieser Männer, sei es auf bröckeligen Wänden in Havanna, auf riesigen Plakaten an Straßenkreuzungen, in Büchern sowie im Fernsehen, oder auf T-Shirts gedruckt. Doch wer sind sie? Was haben sie erlebt? Und wofür stehen sie?
Das alles sind Fragen, die gar nicht so einfach zu klären sind. Zwar kennt jeder Cubaner die Geschichte der Fünf, doch ist sie so verworren und kompliziert, dass wir uns erst nach einigen Gesprächen und ausführlicher Recherche ein Bild von ihr machen konnten.
Warum schickt Cuba Agenten in die USA?
Anfang der 90er Jahre entschloss die US-amerikanische Regierung, die Gunst der Stunde zu nutzen und das durch den Zusammenbruch des sozialistischen Blocks geschwächte Cuba, endgültig dem Erdboden gleich zu machen. Neben der Verschärfung der Wirtschaftsblocke kam es zu zahlreichen terroristischen Übergriffen auf cubanischem Boden, mit mehr als 3500 Toten und unzähligen Verletzten. Die Angriffe der Terroristen gestalteten sich vielseitig. So waren sie verantwortlich für Explosionen und Anschläge auf Fabriken, Geschäftsräume und vor allem auf touristische Einrichtungen, deren Einnahmen nach dem Wegfall von 85% des Außenhandels für die cubansiche Wirtschaft einen ganz neuen Stellenwert erhalten hatten. Außerdem ermordeten organisierte Gruppen, die vom Ausland versorgt wurden, Diplomaten Cubas und sich zu der kleinen Insel bekennende Vertretungen. Auch vor dem Einschleusen von Schädlingen, Krankheiten und Viren, sowie dem Abbrennen von Zuckerrohrfeldern machten sie keinen Halt. Selbst die 638 geplanten, vereitelten und nahezu durchgeführten Mordversuche auf Fidel Castro, sind inzwischen in jedem Reiseführer nach zu lesen und regen nicht selten zu einem belustigten Schmunzeln an. Denn der Absurdität bei dem Versuch den Führer der Revolution zu beseitigen, wurden keine Grenzen gesetzt. So entwickelte die CIA Pläne, in denen sie z.B das TV-Studio, in dem Castro auftrat, mit einer chemischen Substanz besprühen wollten, die wie LSD wirkt, oder ihm Enthaarungsmittel in die Schuhe zu kippen, um seine Figur ins Lächerliche zu ziehen. Desweiteren erwogen sie, explosive Zigarren in seiner Nähe zu platzieren oder vergiftete Kugelschreiber einzusetzen. Wie viele dieser Übergriffe tatsächlich direkt von staatlichen Institutionen ausgegangen sind und bei wie vielen der Beitrag des Staates die intentionierte Blindheit war, bleibt offen. Eindeutig ist jedoch, dass die Anschläge, deren überwältigende Mehrheit als Akte US-amerikanischer Terrorgruppen, die vornehmlich aus Exilcubanern bestehen und in Miami ansässig sind, belegt werden konnten. Sogar den größten Skeptiker überzeugen all die öffentlich einsehbaren Beweise von dem Fakt, dass diese Übergriffe nichts mit Verschwörungstheorie zu tun haben.
Wer steht hinter den fünf Namen?
Um weitere Morde an ihren Landsleuten zu verhindern, schickte Cuba Mitte und Ende der 90er Jahre mehrere Männer mit zivilen Ausbildungen nach Miami, um sie in Terrorgruppen wie FNCA, CLC und Alpha 66 einzuschleusen. In der cubanischen Gruppe befanden sich unter anderem, der am 04.06.1965 in Havanna geborene Gerardo Hernández Nordelo, der seinen Abschluss in internationalen politischen Beziehungen gemacht hatte und danach als Comiczeichner in der cubanischen Presse, sowie auf Galerien veröffentlichte und mit dem Namen Manuel Viramontes in die Vereinigten Staaten einreiste. Der unter dem Decknamen Luis Medina bekannte Ramón Labañino Salazar, der am 09.06.1963 ebenfalls in Havanna zur Welt kam und seinen Studiengang in Ökonomie mit Auszeichnung beendete, sowie der Pilot und Flugzeugingenieur René Gonzalez Sehwerert, der am 13.08.1956 in Chicago geboren wurde. Weitere Mitglieder sind Fernando González Llort, alias Ruben Campa, der am 18.08.1963 in Havanna das Licht der Welt erblickte und seinen Abschluss in internationalen politischen Beziehungen schrieb, außerdem der aus Miami stammende Antonio Guerrero Rodríguez, der am 16.10.1958 geboren wurde und neben seinem Beruf als Luftfahrt-Konstruktionsingenieur, zu dem er sich in der Sowjetunion hatte ausbilden lassen, viel Zeit in Kunst und Poesie verwendete. Ihre Aufgabe verstanden sie darin, an Informationen über weitere Anschlagspläne zu gelangen und sie weiterzuleiten.
Die Verschwörung nimmt ihren Lauf…
1998 legte die cubanische Regierung dem FBI alle gesammelten Beweise und Dokumente vor, um gemeinsam dem Terrorismus ein Ende zu setzen. Doch anstatt die Terrorgruppen, so wie sie es versprochen hatten, zu stoppen und eine strafrechtliche Verfolgung einzuleiten, verhaftete das FBI wenige Monate später die cubanischen Agenten. Ihnen wurden die Anklagepunkte Verschwörung zur Spionage, Verschwörung ein Verbrechen gegen die USA zu begehen, falsche Identitäten und Ausweise sowie nicht registrierte Agenten einer auswärtigen Macht zu sein, vorgeworfen. Sieben Monate später sollte Gerardo außerdem die Verschwörung zum Mord ersten Grades zur Last gelegt werden. Dieser Vorwurf entstand durch die nicht bewiesene Anklage, er sei für den Abschuss von zwei kleinen Flugzeugen der terroristischen Organisation „Hermanos al Rescate“ am 24.02.1996 verantwortlich. Hier hätten die Anklagen nicht absurder sein können, denn schon an Hand der Formulierung „Verschwörung zu…“ erkennt man, dass die Anschuldigungen, auf Grund von fehlender Beweislage, haltlos waren. Auch im Fall von Antonio, der unter anderem der Verschwörung zur Spionage angeklagt wurde, merkt man schnell, dass es keine stichhaltigen Beweise gab. Die Fotos, die ihm nämlich zur Last gelegt werden sollen, wurden zwar auf US-amerikanischen Flughäfen geschossen, jedoch ohne sich Zugriff auf unbefugtes Gelände verschafft zu haben. Jeder beliebige Flughafengast hätte Bilder aus dieser Perspektive knipsen können. Generell beinhaltet die Anschuldigung zu Spionage den Vorsatz, nach dem Gesetz der Vereinigten Staaten als geheim klassifizierte Dokumente, geraubt, erhalten oder aufbewahrt zu haben, mit dem Vorhaben sie an eine ausländische Regierung zu übergeben. Ebenso ist die an Gerardo gerichtete Beschuldigung willkürlich, denn die zwei Flugzeuge, die während einem Zeitraum von über 20 Monaten 25 mal in den cubanischen Luftraum eindrangen, um durch Abwerfen von Propagandamaterial die exilcubanische Terrorbewegung zu unterstützen, wurden von der US-amerikanischen Regierung angekündigt. Cuba antwortete, in dem sie bekannt gab, dass sie ab sofort ihren Luftraum militärisch verteidigen würden. Als daraufhin die USA ihre Vorgehensweise nicht änderte, wurden die Flugzeuge abgeschossen, was internationalem Recht entspricht. Gerardo setzte die cubanischen Behörden über die zwei Flugzeuge in Kenntnis, doch durch die Benachrichtigung der USA waren sie schon bestens informiert. Diese Operation steht also in keinem Zusammenhang zu Gerardo, sein Kopf ist lediglich ein Symbol des Krieges, den die USA gegen Cuba führt. Dass der Anklagepunkt zur Verschwörung zum Mord, nichts weiter als eine unhaltbare Behauptung war, erkannte selbst die US-Regierung an, als sie am 25.05.2001 in der „Petición de Emergencia de un Auto Inhibitorio“, die sie dem Berufungsgericht vorlegte, gestand, dass „im Licht der im Prozess vorgelegten Beweise, welche ein unüberwindbares Hindernis für die USA in diesem Fall bedeutet, es wahrscheinlich zu einem Scheitern der Anklage in diesem Anklagepunkt kommen wird“.
Der Prozess
Der darauffolgende Prozess wies enorme Verstöße gegen die US-amerikanische Verfassung auf. So war die Position der Richter dem Fall gegenüber von vorneherein festgelegt. Drei von den Richtern wurden von dem Prozess ausgeschlossen, da sie eine neutrale Haltung gegenüber Cuba einnahmen. Im Gegensatz zu allen 12 Geschworenen, die feindliche Einstellung zum realexistierenden Sozialismus auf dem kleinen Inselstaat äußerten. Außerdem gab es, trotz energischem Einspruch von Seiten der Verteidigung, keine Möglichkeit den Prozess aus Miami, dem Hauptsitz anticubanischer Aktivitäten in den USA, zu verlegen. Diese Stadt beherbergt über eine halbe Million Exilcubaner und stellt somit einen von Vorurteilen belasteten Schauplatz da. Ebenfalls behindert wurden die Arbeiten der Verteidigung, indem die Anwälte lediglich 20% der Akten einsehen durften, da die anderen 80% als „Gefährdung für die Sicherheit der USA“ eingestuft worden sind. Einen weiteren sehr wichtigen Faktor spielen die Medien, die die öffentliche Meinung durch einseitige Berichterstattung manipulierten und die Geschworenen unter Druck setzten. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass die Angeklagten nach einem über sechs Monate dauerndem Prozess, trotz fehlender Beweislage, in allen Punkten für schuldig erklärt wurden. Mit 20.000 Dokumentseiten und mehr als 119 Zeugenaussagen ist dies der bis dahin längste in den USA geführte Fall. Das Urteil wurde vollstreckt, obwohl man ihnen einzig und allein die Annahme falscher Identitäten hätte vorwerfen können. Doch welches Land schleust für die nationale Sicherheit keine Agenten mit gefälschten Papieren in andere Staaten ein? Warum sollte Cuba das Recht auf Selbstverteidigung verwehrt bleiben, während es allen weiteren Ländern zusteht? Vor allem die USA ist Spitzenreiter in diesem Bereich, spätestens nach dem 11. September, seitdem einfache Taxifahrer beschattet werden, nur, weil sie einen langen Bart oder wohlmöglich einen Turban tragen. So wurde das Strafmaß wie folgt festgelegt: Antonio bekam eine lebenslängliche Haftstrafe und 10 weitere Jahre, Fernando 19 Jahre und Gerardo wurde zu zweimal lebenslänglich, zuzüglich 15 Jahren verurteilt. Ramon wird lebenslänglich plus 18 Jahren im Gefängnis verbringen und René wurde zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Da die Staatsanwaltschaft ursprünglich höhere Strafen beantragt hatte, verlangte sie zusätzlich besondere Beschränkungen nach Ablauf der Haftstrafe, die den Fünf auch auferlegt wurden. René und Antonio, die beide in den USA geboren wurden, sollten demnach drei und fünf Jahre nach dem Freiheitsentzug unter Aufsicht in den USA verbringen.
Die Haft
Auch die darauffolgende Haftstrafe ist durchzogen mit verfassungswidrigen Verhaltensweisen seitens der Ankläger: die fünf Männer verbrachten nämlich insgesamt 17 Monate und 48 Tage in Einzelhaft, um ihre Widerstandskraft psychisch und physisch zu brechen und das, obwohl es im eigens vom Gefängnisbüro der Vereinigten Staaten aufgestellten Regelkatalog heißt: „…die Höchstverweildauer in Strafzellen darf 60 Tag nicht überschreiten….“ und gegen Artikel 7 des Internationalen Vertrages der Bürgerrechte und politischen Rechte: „Niemand darf Folterungen oder grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Handlungen ausgesetzt werden…“ verstößt. Um sich die Haftbedingungen besser vorstellen zu können, gibt es in dem Buch „The Perfect Storm“, das von Antonios Verteidiger Leonard Weinglas 2002 herausgegeben wurde, einen Abschnitt, der die Situation der Gefangenen während der Einzelhaft beschreibt. Hier heißt es, dass es sich bei den Zellen um winzige Räume ohne Fenster handelt, die mit einer einzigen Klappe zur Essensversorgung in der Metalltür, einer Toilette und einem Bett mit einer dünnen Matte ausgestattet sind. Dem Gefangenen ist lediglich das Tragen von einem T-Shirt und Unterwäsche erlaubt. Außerdem brennt 24 Stunden das Licht, so dass man nicht feststellen kann, um welche Tageszeit es sich handelt. Sowohl Lesestoff, als auch Schreibmaterial sind untersagt und der einzige Kontakt zur Außenwelt besteht aus dem Gefängniswärter und dem Geschrei, dass die häufig psychisch gestörten Mitgefangenen von sich geben. Ein Ort, der Beklemmung und Angst, der schlimmste Empfindungen hervorruft. Zusätzlich wurde ihre Widerstandskraft durch persönliche Sanktionen, wie der Behinderung des Besuchsrechts von Familienmitgliedern durch fehlende Visa Vergabe, jahrelangen Wartezeiten oder kompletter Verweigerung, wie im Fall von Gerardos Frau auf die Probe gestellt. Hinzu kamen die erschwerten Bedingungen bei Besuchen von Anwälten und Konsulatsmitarbeitern, sowie die Unterbringung, aufgeteilt auf 5 verschiedene Gefängnisse mit „normalen“ Kriminellen, statt der gesonderten Behandlung, als politische Gefangene.
Versuche zur Befreiung
Trotz dem erneuten Aufgreifen des Falles seit März 2004, in deren Verlauf die Willkür der Verurteilung bewiesen werden konnte, gab das Oberste Bundesgericht der USA 2009 bekannt, dass sie den Fall nicht erneut überprüfen würden. Zur selben Zeit wurde eine weltweite Petition eingereicht, auf der 10 Nobelpreisträger, der gesamte Senat von Mexiko, die Nationalversammlung von Panama, die ehemalige Präsidentin von Irland, die Kommissarin der Menschenrechte der Vereinten Nationen und der ehemalige Direktor der UNESCO unterschrieben haben, um ihre Solidarität mit den Gefangenen zu symbolisieren und gegen das Urteil des Gerichts vorzugehen. Auf dieser Liste befinden sich weitere Unterschriften von Politikern der ganzen Welt, Anwaltsvereinigungen, Menschenrechtsorganisationen, Amnesty International, internationale Persönlichkeiten und akademische Organisationen. Einige Monate später wurde das Strafmaß von Antonio neu verhandelt und zu 21 Jahren zuzüglich 10 Monaten Gefängnis, sowie 5 Jahren Freiheit unter Aufsicht in den USA verändert, was zwar eine Verkürzung seiner Strafe darstellt, trotzdem weiterhin unbegründet hoch ist. Auch im Fall von Fernando und Ramón kam es zu einer Neuverhandlung des Strafmaßes mit dem Ergebnis, dass ihre Urteile zu 17 Jahren und 9 Monaten Gefängnis für Fernando und 30 Jahre für Ramón verändert wurden. Die Richterin begründete die Verringerung der Haftstrafen, mit der Möglichkeit den internationalen Protest zu besänftigen. Auf Gerardos Bitte auch seinen Fall wieder aufzunehmen wurde jedoch nicht eingegangen.
Die Rückkehr
Am 07. Oktober 2011 wurde René, als erstes aus dem Gefängnis entlassen, durfte die USA allerdings drei Jahre lang nicht verlassen und stand während dieser Zeit unter Aufsicht. Auch Fernando wurde Anfang diesen Jahres, am 27. Februar 2014, entlassen. Inzwischen sind beide wieder in Cuba und reisen viel auf der Insel herum, um Informationsveranstaltungen zu halten. Denn, wie Fernando in einem Interview mit der jungen Welt sagt: „ René und ich wurden zwar aus dem Gefängnis entlassen, aber unser Ziel war und ist die Freiheit und die Rückkehr von allen »Fünf«. Ich sehe es als meine wichtigste Aufgabe an, dafür mit all meiner Energie zu kämpfen.“
Wichtig ist, dass jeder von ihnen, trotz all der Schikanen, niemals seine Überzeugungen und Würde gegenüber der Revolution mit all seinen Errungenschaften verloren hat und somit einen großen symbolischen Wert für die Verteidigung des sozialistischen Cubas darstellt. Für viele ist ihr Beispiel Grund genug, um sich von der großen Macht, die von der USA ausgeht, nicht unterkriegen zu lassen und sich jeden Tag wieder aufs Neue für all die Werte, die auf Cuba verkörpert werden, einzusetzen. Denn die Cuban 5 repräsentieren die Möglichkeit einer anderen Welt, in der die Menschen an erster Stelle stehen!
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