Kolibri sucht Mangobaum

Eigentlich wollten es zehn sein, die am 5. März 2022 von Frankfurt am Main aus nach Kuba aufbrechen – die erste Gruppe seit zwei Jahren. Zwei PCR-Tests aber sagten nein. Also nur zu acht, die beiden anderen, zum Glück symptomfrei, reisen nach ihrer Quarantäne hinterher. Nach Umstieg in einem schäfchenwolkenbehangenen, mild-frühlingshaften Madrid und Langstreckenflug über den Atlantik, landet der Hauptteil der Bunkistas auf dem Flughafen José Martí in Havanna. Endlich Beinfreiheit und einen Vorgeschmack davon bekommen, wie warm es auf Kuba ist.

Empfangen, u.a. von einem alten Freund des Proyectos, Julián, der an der CUJAE für Austauschstudierende zuständig ist, geht es erst mal zur Sportuniversität Havannas (UCCFD), die Unterkunft für die nächsten zwei Wochen. Es gibt einen ziemlich lauten Rumms, als acht erschöpfte Leute gleichzeitig in ihre Betten fallen.

Am nächsten, also dem ersten Tag auf Kuba, holt uns Julián nach dem Frühstück ab. Mit dabei: Ein ehemaliger Bunkista, der nach seinem ersten Mal Kuba vor sieben Jahren entschied, länger hierzubleiben und der jetzt für ein deutsches Joint Venture in Havanna arbeitet.

Julián hinterher geht es zu den nächsten Einkaufsmöglichkeiten. Die Frage, wie man einen Deutschen auf den Straßen Havannas erkennt, lässt sich vielfach beantworten, aktuell drängt sich aber das auf: die FFP2-Maske. Kubanerinnen und Kubaner haben kaum solche, viele tragen OP- oder auswaschbare Stoff-Masken, manche auch zwei übereinander, um sich zu schützen. Aber alle tragen sie auf den Straßen – fast ohne Ausnahme. Das Tragen der „Nasobucos“ ist eine Maßnahme, um die Pandemie zu bekämpfen, neben der unglaublich hohen Impfquote im Land (Stand 7.3.2022: 87,3 Prozent der Menschen auf Kuba sind vollständig geimpft; Kubanerinnen und Kubaner werden ab dem zweiten Lebensjahr gegen Covid-19 via Impfung geschützt). Außerdem nicht zu übersehen: Die Regale der Verkaufsstände sind spärlich gefüllt. Wirtschaftskrise, Inflation und nicht zuletzt die Blockade durch den US-Imperialismus führen dazu, dass es viele Waren nicht oder nur kaum gibt, die Preise schwanken stark. Dazu kommt der Klimawandel. Es gab zwei Jahre die schlechteste Zuckerrohrernte seit hundert Jahren in Serie, weiß der ortsansässige Bunkista. Das dritte wird für 2022 befürchtet.

Anderes fällt auf: es wird ständig gehupt, beim Überholen, beim Abbiegen, oft auch ohne jeden ersichtlichen Grund. Und es wird, weil Sonntag ist, gebolzt und Baseball gespielt, auch in der Mittagshitze. Die Eingereisten schauen dabei mit Kopfschmerzen zu und fragen sich, woher genau die kommen, ob von der Sonne, vom Jetlag oder dem Koffeinentzug, weil es zum Frühstück keinen Kaffee gegeben hat.

Der gehört aktuell zu den Mangelgütern. Kubanerinnen und Kubaner bekommen trotzdem welchen, der ist schließlich Teil der Libretta, einer Liste an Lebensmitteln, die sie staatlich subventioniert zu niedrigen Preisen kaufen können. Nicht nur gut wegen des Kaffees, der dabei ausgeschenkt wird, dass als nächster Programmpunkt der Besuch bei Angela ansteht. Sie hat die Revolution miterlebt. Nicht nur das, sie hat auch mitgekämpft und die Alphabetisierungskampagne mit vorangetrieben. Hierzulande kennt man sie vielleicht als eine der vier interviewten Frauen aus „Zucker und Salz“ (https://www.youtube.com/watch?v=Nn_tohcgSuc).

Angela erzählt auch davon, dass zu den Ergebnissen der Revolution gehört, wie in Kuba alles geteilt wird: „Wenn einer eine Suppe hat, dann wird diese geteilt und wenn sie nicht ausreicht, wird sie mit Wasser verdünnt, bis sie für alle reicht.“ Angela wohnt in einem kleinen Haus. Ein Satteldach ohne Dachboden, dafür mit einem großen Wohn- und Esszimmer mit hohen Decken. Darin ein kleiner Röhrenfernseher, Baseball läuft. Ihr Sohn schaut ab und an, wie es steht. Neulich wurde er früh morgens, auf dem Weg von der Arbeit überfallen. Das ist selten in Kuba. Angela vermutet dahinter, dass Jugendliche mit Geld aus den USA dazu angestachelt wurden. Das gibt es, 2019 wurde von Bestochenen eine Markthalle angezündet. Ziel der Geldgeber: Die Kriminalitätsrate anheben und so die Tourismuswirtschaft destabilisieren.

In Angelas Hintergarten wachsen Mangos und Avocados. Es wird über die Revolution geredet und wie sie verteidigt werden kann und muss. Julián, schlägt zur Lösung der Versorgungsprobleme vor, mehr Waren in die Libretta aufzunehmen, damit nicht Mangelware aufgekauft und auf der Straße teuer wiederverkauft wird. Dazu müssten die Wiederverkäufe enger begrenzt werden. Aber was bedeutet das dann für die kleinen Kioskbesitzerinnen und -besitzer, die davon leben, Waren anzubieten, die sie vorher erstanden haben?, fragt sich der ehemalige Bunkista, der mittlerweile hier lebt. Während Julián redet, schwirrt ein Kolibri aus Angelas Haus und sucht den Mangobaum ab.

Viele Fragen, viele Ideen, viel für einen ersten Tag. Die Kopfschmerzen sind vielleicht weg, aber die Müdigkeit schlägt um sich. Für tiefe Gespräche über die kubanische Revolution und den Sozialismus ist aber auch noch Zeit, mindestens sieben Monate.

Dieser Artikel ist von Ken, hier geht es zu mehr Artikeln von ihm.

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Ein Gedanke zu „Kolibri sucht Mangobaum“

  1. Hallo liebe Bunkistas, wir wünschen Euch für euren Aufenthalt auf Cuba alles Gute und für Eure Projekte vollen Erfolg. Wir, mein Mann und ich, haben Cuba viermal besucht. Wir haben viel von Cuba gesehen, sei es die Schweinebucht, die Moncada, Marcel, Santa Clara, Vinales, Trinidad, Santiago de Cuba, Guantanamo, die Finka von Ernest Hemingway und vorallem die Treffen im ZK oder IKAP. Unser Herz, es mag vielleicht etwas abgedroschen klingen, schlägt für Cuba. Wären wir etwas jünger, wir würden auch ein fünftes Mal nach Cuba fliegen, auch wenn die Knie nach dem Flug nicht mehr aus dem 90 Grad gerade werden wollen. Wir haben uns gemeinsam mit Basta ya, für die Befreiung der Cuben 5 eingesetzt. Jedenfalls wünschen wir uns eine baldige Beendigung der Blockade und Euch einen vollen Erfolg für Eure Vorhaben.
    Solidarische Grüße senden Euch Klaus und Ulla Eichner

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