Porträt eines Kaffeebauern in der Sierra Maestra

Anfang November war ich mit einer Gruppe Studierender der CUJAE und einigen weiteren Teilnehmer*innen in der Sierra Maestra. Neben dem Reiz, auf den Spuren der Guerilleras und Guerilleros in den einsamen Weiten der Sierra unterwegs zu sein, war ich vor allem auf Begegnungen mit Menschen gespannt, die in der Sierra leben. Vielen von ihnen bin ich nicht begegnet. Von dem Ort des Startes unserer Wanderung und des Endes abgesehen, sind uns nur ungefähr zehn Menschen in den drei Tagen begegnet. Falls ich es überhaupt herausfinden konnte, stellte ich fest, dass sie sehr herzlich, nicht aber besonders redselig waren. Das war für mich eine neue Erfahrung in Kuba, erlebe ich die die meisten Kubaner*innen doch eigentlich als sehr kommunikativ.

Der Bewohner der Estacion biologica, um dessen Haus herum wir unser Camp aufgeschlagen hatten, hat folgerichtig auch nur freundlich-zustimmend genickt, als ich ihn fragte, ob wir Stadtmenschen aus La Habana ihm zu viel reden und zu laut sind. Für jemanden, der in der Sierra lebt und die Stille genießt, muss eine so große Gruppe, die redend, singend und sogar teils mit Musik durch die Sierra zieht, ein kleiner Schock sein und eher abschreckend wirken, denke ich. Am Ende der Wanderung, bei einem Rundgang durch den kleinen Ort Juana, ergab sich dann doch noch die Möglichkeit eines etwas ausführlicheren und für mich sehr interessanten Gesprächs.

Im Folgenden möchte ich die Essenz aus dem Gespräch mit einem Bewohner der Sierra, der – wie die große Mehrheit – Campesino (Bauer) ist, wiedergeben, dessen richtiger Name und dessen exaktes Alter mir unbekannt sind. Ich schätze sein Alter auf Anfang 40 und nenne ihn Rodriguez. Rodriguez baut vorwiegend Kaffee an, wie fast alle Campesinos in der Sierra, aber auch Zitrusfrüchte und Gemüse für den Eigenbedarf werden von ihm kultiviert. Hühner, Schweine und Schafe besitzt er zur Eier- beziehungsweise Fleischproduktion, wohingegen er seine Pferde und Maultiere als Lasttiere gebraucht. An Letzteren kommt kein Bewohner der Sierra vorbei, um auf den oft schmalen und steilen Wegen Dinge für den Eigenbedarf oder landwirtschaftliche Erzeugnisse zu transportieren. Dass Rodriguez Land besitzt und – anders als seinesgleichen noch heute in vielen Ländern nicht nur Lateinamerikas –  sozial abgesichert leben kann, hat er der Revolution vor 60 Jahren zu verdanken, die sich mit der Agrarreform gleich nach ihrem Sieg an die erfolgreiche Umsetzung eines ihrer zentralen Versprechen machte. Stolz erzählt mir Rodriguez, dass seine Großmutter von Che Guevara persönlich die Urkunde über den Landbesitz überreicht bekommen habe im Zuge der Agrarreform. Allgemein zeigt sich Rodriguez mit seinem Leben trotz aller Schwierigkeiten glücklich und genügsam-zufrieden. An der Sierra schätzt er vor allem die Ruhe, die Schönheit der Natur und die saubere Luft, weshalb es für ihn leicht zu entscheiden gewesen sei, nach dem Studium in der Stadt zurück in die Berge zu gehen. Auf meine Nachfrage erklärt mir Rodriguez ganz selbstverständlich, dass es hier in seiner kleinen, abgelegenen Gemeinde, die insgesamt 800 Einwohner zähle, eine gute Nahversorgung mit Bodegas (staatlich stark subventionierte Lebensmittelgeschäfte), Polikliniken und Schulen für die Kinder gebe. Auch die Massenorganisationen seien vor Ort stark verankert und es gibt mit der Poder popular (Volksmacht, in diesem Fall Kommunalparlament) eine politische Interessenvertretung, mit deren Arbeit sich Rodriguez sehr zufrieden zeigt. Für mich als Land-Ei aus Deutschland ist das sehr beeindruckend. Während in Deutschland die Nahversorgung auf dem Land kaum noch gegeben ist, können die Menschen in Kuba im gesamten Land gleichermaßen und auch in den entlegensten Winkeln der Sierra Maestra auf wohnortnahe Versorgung durch den Staat zählen. Wahrscheinlich ist die Breite der Versorgung, u.a. mit Bildung und Gesundheit, mehr noch als die hohe Qualität das Alleinstellungsmerkmal der kubanischen Revolution. Mit großer Sachlichkeit erzählt mir Rodriguez von einem Problem, dass alle Kaffeebauern gleichermaßen betrifft: 60% des Kaffees in Kuba sei vom Broca del café befallen, dem Kaffeekirschenkäfer, der für erhebliche Ernteausfälle verantwortlich sei. Dieser Schädling, der sich in der Kaffeekirsche einnistet und sich in die Kaffeebohnen hineinfrisst, sei nicht natürlich aufgetreten, sondern soll als Teil des biologischen Krieges der USA gegen die sozialistische Karibikinsel 1995 gezielt eingeführt worden sein. Seit dem Auftreten des Brocas sei man auch von staatlicher Seite mit großem Aufwand und eher mäßigem Erfolg darum bemüht, ihn einzudämmen. Derweil setzt auch Rodriguez auf einen Mix aus verschiedenen Sorten Kaffee, um keine zu großen Ernteausfälle bei der einen zu riskieren, aber auch, um den Plan bzw. die Nachfrage zu erfüllen. Denn wie er mir erklärt, werden in der Sierra acht Sorten Arabica-Kaffee angebaut, der für den Export bestimmt sei, während der Robusta-Kaffee den Inlandskonsum bediene.

Die Einladung auf einen Kaffee konnte ich leider nicht mehr annehmen, da die Rückreise bevorstand. Jedoch bekam ich zum Abschied neben Mandarinen einige Kaffeebohnen geschenkt, mit denen ich mich Zuhause im Anbau des weltweit geschätzten Sierra-Maestra-Kaffees üben kann – dann zwar ohne gratis Poliklinik um die Ecke, aber dafür hoffentlich auch ohne US-Angriffe mit Schädlingen.

Dieser Artikel ist von Elias.

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