Obamas Kubabesuch Teil 2 von 2

Eine Interpretation in Anlehnung an den Artikel „Obama y la economía Cubana: Entender lo que no se dijo“, von Augustín Lage* erschienen am 23.03.2016 auf Cubadebate.cu. (Übersetzung „Obama und die kubanische Ökonomie: Verstehen was nicht gesagt wurde“ zu finden auf amerika21.de)

Unterschiedliche Konzepte von gesellschaftlicher Produktion

  • „Seitens Obama wird der privatwirtschaftliche Sektor als Hauptkomponente der Wirtschaft angesehen. Wir sehen ihn als Ergänzung zur Hauptkomponente, diese ist das sozialistische staatliche Unternehmen. Tatsächlich beschäftigt der nicht-staatliche Sektor in Kuba fast 30% der Arbeiter*Innen, macht aber nicht einmal 12% des BIP aus. Das zeigt seine beschränkte Bedeutung für die Wertbildung.
  • Von US-Seite aus wird dieser Sektor als „die Innovation“ dargestellt, wir sehen ihn als wertbildend auf niedrigerer Stufe an. Die wirklichen Innovationen entstehen in der höheren Technologie, in Wissenschaft und Technik und in der Verbindung mit dem staatlichen Unternehmen. Der Erfindungsgeist des kubanischen Volkes hat sich in den letzten Jahren auf viele Art und Weise gezeigt, wie in der Entwicklung der Biotechnologie und ihrer Medikamente und Impfstoffe, der verstärkten Bildung von Informatikern in der Universität der Informatikwissenschaft (UCI), der urbanen Landwirtschaft, der Energierevolution und vielen anderen Errungenschaften aus der Spezialperiode. All das wurde in den Reden unserer amerikanischen Besucher nicht erwähnt.
  • Diese sehen die privaten Unternehmungen als etwas, was das Volk „ermächtigt“, wir sehen sie als etwas an, was „einen Teil“ des Volks ermächtigt und zwar nur einen relativ kleinen Teil. Das Volk ist Protagonist in den staatlichen Unternehmen, auch im großen Sektor, der aus Haushaltsmitteln finanziert wird. Dieser beinhaltet z.B. Gesundheits- und Bildungswesen, Sport, und soziale Sicherheit. Das ist der Sektor in dem hauptsächlich für das Volk gearbeitet wird und in dem der Großteil unseres Reichtums erzeugt wird. Die implizite Aussage Obamas, den nicht-staatlichen Sektor mit dem Volk gleichzustellen können wir nicht akzeptieren. Das wurde zwar nicht in der Form so gesagt, war aber nur allzu klar aus dem Diskurs zu interpretieren.
  • In diesem Diskurs wird taktisch das Konzept der „Unternehmungen“ und des staatlichen Eigentums getrennt. Wir sehen unsere Möglichkeiten unternehmerischer Produktivität prinzipiell im staatlichen Sektor. So präsentierten wir uns auch auf unserem Unternehmerforum (Das Zentrum für Molekulare Biologie in dem ich arbeite) als ein „Unternehmen mit 11 Millionen Aktionären“, als das wir uns verstehen.
  • Sie (die Administration der USA) sehen den nicht-staatlichen Sektor als eine Quelle gesellschaftlicher Entwicklung; wir sehen diesen mit einer Doppel-Rolle behaftet, nämlich auch als Quelle sozialer Ungleichheiten (hierfür haben wir schon Anhaltspunkte, was die Debatten über Lebensmittelpreise beweisen). Diese schon bestehenden Ungleichheiten werden wir mit einem Fiskalsystem bekämpfen, das unsere Werte widerspiegelt.
  • Sie glauben an die dynamische Funktion des Wettbewerbs (auch wenn dieses Konzept schon von ernsthaften Ideologen der kapitalistischen Ökonomie hinterfragt wird). Wir kennen die räuberische Wirkung des Wettbewerbs und die Erosion des gesellschaftlichen Zusammenhalts und setzen deshalb eher auf die Dynamik von nationalen Programmen.
  • Sie glauben der Markt verteile Investitionen effizient, in dem er auf die Nachfrage antwortet; Wir sind überzeugt der Markt antwortet nicht auf eine Nachfrage, sondern auf eine zahlungsfähige Nachfrage und erhöht so die sozialen Ungleichheiten.
  • Sie berufen sich auf die Geschichte der unternehmerischen Entwicklung in den USA, deren Ökonomie im 19. Jahrhundert ihre Entwicklung aufnahm, unter Bedingungen in der Weltwirtschaft, die heute nicht mehr gegeben sind.

Wir wissen, dass die Gegebenheiten für unterentwickelten Länder mit abhängigen Ökonomien andere sind. Speziell im 21. Jahrhundert, in dem ökonomische und wissenschaftlich-technische Entwicklung eben nicht mehr von kleinen privaten Unternehmungen ausgeht, werden wir nicht versuchen die Entwicklung der heute industrialisierten Länder, 300 Jahre verspätet, nachzuahmen. Das wäre das Rezept für die ewige Fortdauer der Unterentwicklung und Abhängigkeit, mit einer lediglich als Anhängsel ausgelegten Ökonomie, die die nordamerikanische Ökonomie ergänzt. Das war so im 19. Jahrhundert, als uns diese Abhängigkeit zur Monokultur geführt hat und uns den Weg der Industrialisierung verschlossen hat. Um das zu verstehen dient die Geschichte und deshalb dürfen wir sie nicht vergessen.

Die zukünftigen Kämpfe

Die Aufnahme des diplomatischen Austauschs zur Normalisierung der Beziehungen mit den USA, lässt einen militärischen Konflikt für Kuba in weitere Ferne rücken, jedoch macht es die ideologische Auseinandersetzung heute umso notwendiger.

Dieser ideologische Kampf muss angenommen und gewonnen werden, um zu überzeugen und richtige Schlüsse für den ökonomischen Kampf in die Tat um zu setzen. Laut Lage wird diese „ökonomische Schlacht“ für Kuba im 21. Jahrhundert in drei wichtigen Bereichen stattfinden:

  1. In der Integration effizienter sozialistischer Staats-Unternehmen in die Weltwirtschaft.
  2. In der Verbindung von Wissenschaft und Ökonomie mittels Unternehmen hoher qualitativer   Wertschöpfung, die das Exportspektrum bereichern.
  3. In der bewussten Minderung der sich Ausbreitenden sozialen Ungleichheit durch Intervention des sozialistischen Staates.

Mit Bezug auf den Besuch von Barack Obama in Cuba, fasst er, Augustín Lage, abschließend zusammen:

„Das Credo des Kapitalismus, auch derer die ernsthaft an ihn glauben, ist die Produktion von Wohlstand basierend auf Privateigentum und Wettbewerb. Unser Konzept basiert auf Kreativität, die auf sozialer Gerechtigkeit und Solidarität zwischen den Menschen beruht, und die die zukünftigen Generationen mit einschließt. Unser Konzept ist die Zukunft – und wenn die Zukunft noch auf sich warten lässt, gefangen in den derzeitigen objektiven Verhältnissen, bleibt sie doch die Zukunft, für die wir kämpfen.

Das Privateigentum und der Wettbewerb gehören der Vergangenheit an, und wenn diese Dinge auch notwendigerweise noch in der Gegenwart existieren, so sind sie doch Vergangenheit. Man muss immer wissen welche Konzepte hinter den Worten stehen die gesagt werden, und welche Gründe hinter den Worten stehen, die nicht gesagt werden.

Der Kampf für unser Ideal vom menschlichem Zusammenleben wird in den Händen der aktuellen Generation junger Kubaner*Innen sein, die Zeiten mit anderen Herausforderungen erleben als die revolutionären Generationen des 20. Jahrhunderts. Zeiten, die ebenso groß und transzendent sind, wenn nicht vielleicht noch komplexer. Wenn ich die Komplexität dieser Herausforderungen analysiere, möchte ich gestehen, dass ich gerne nochmal der Union Junger Kommunisten (Union de Jóvenes Comunistas Cubanos, UJC) beitreten würde, deren Mitgliedsausweis (Nº 7784 von 1963) ich gerade vor mir auf dem Tisch liegen habe. Ich bin immer noch Kommunist, muss jedoch akzeptieren, dass die Jugend hinter mir liegt. Ich kann jedoch sehr wohl mit den Jungen die Analyse dessen teilen, was heutzutage gesagt wird und die Enthüllung dessen, was nicht gesagt wird; und ich kann mit ihnen zusammen die intellektuellen Werkzeuge schmieden, die wir für die kommenden Schlachten benötigen.

José Martí schrieb im April 1895: „Der Kampf der Ideen ist der wichtigste, gewinnen wir ihn denkend!“

*Augustin Lage Dávila aus Kuba ist Wissenschaftler und Leiter des Zentrums für Molekulare Immunologie in Havanna. Sein Artikel, zuerst erschienen auf Cubadebate.cu, kann auf amerika21.de in voller Länge übersetzt gelesen werden.

Dieser Artikel ist von Karl, hier geht es zu weiteren Artikeln von Ihm

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