„Wir gehen unseren Weg weiter, komme was wolle“

Vor kurzem  hatten wir die Ehre, die Ärztin Dr. Aleida Guevara March  zu treffen, vielen bekannt als die Tochter von Ernesto „Che“ Guevara. Aleida ist nicht nur Ärztin, sondern auch Politikerin (Mitglied der PCC), Autorin mehrerer Bücher und Aktivistin. Darüber hinaus arbeitet die 61 Jährige mit dem Centro de Estudios Che Guevara zusammen. Diese Institution hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Denken, die Kenntnisse, das Leben und Arbeiten von Che Guevara den jungen Leuten innerhalb und außerhalb Kubas näher zu bringen. Bei einem Besuch dort hatten wir die Gelegenheit, ihr ein paar Fragen zu stellen.

Bunkistas:

Vielen Dank für das Treffen. Sie arbeiten ja als Kinderärztin. Wie ist bei Ihnen der Wunsch aufgekommen, Medizinerin zu werden und was begeistert sie daran? 

Aleida:

In erster Linie war es mein Vater, der mich zur Medizin gebracht hat, auch wenn ich noch sehr klein war, als er starb. Meine Mutter übertrug die Liebe und Zuneigung unseres Vaters, die er für uns hatte, an uns. Als ich aufwuchs, reifte in mir die Begeisterung für Medizin, um anderen Menschen zu helfen und mich ihrer Sorgen und Bedürfnisse anzunehmen. 

Bunkistas:

Für den Comandante Che war die Solidarität zwischen den Völkern sehr wichtig und Kuba ist ja bekannt dafür, weltweit in Krisenregionen Ärztebrigaden zu entsenden. Haben sie auch an einer teilgenommen?

Aleida:

Ich war während der Sandinistischen Revolution (1979-1990) mit einer Brigade in Nicaragua in meinem letzten Jahr als Medizinstudentin. Damals war ich 22 Jahre alt. Unser Comandante en Jefe Fidel Castro schickte mich und 400 weitere aus meinem Medizinstudium dorthin. Die Medizinerinnen und Mediziner vor Ort waren reaktionär. Es gab mehrere Konflikte mit ihnen. Die humanitäre Lage in Nicaragua war sehr schwierig, ich musste mich auf eine andere Realität einstellen, die ich von zu Hause so nicht kannte. Es war dennoch eine außerordentliche Erfahrung. Ich schloss als Jahrgangsbeste meines Studienjahres an der UNAN (staatliche Universität in Manaugua, Nicaragua) ab. 

Bunkistas:

Und dann?

Aleida:

Als ich nach Kuba zurückkam, arbeitete ich für ein Jahr im Hospital Pedro Borras in Havanna, die damals älteste pädiatrische Klinik in Lateinamerika, die es heute nicht mehr gibt. Dort kam die damalige, für das Krankenhaus zuständige Sekretärin der UJC (Kommunistischer Jugendverband Kuba) auf mich zu, weil sie Ärztinnen und Ärzte suchte, die bereits Erfahrungen bei einer internationalen Brigade gesammelt hatten. Da ich zu dem Zeitpunkt weder verheiratet war, noch Kinder hatte, meldete ich mich freiwillig. Der Einsatz sollte dieses mal nach Angola gehen. Ich kam also gerade von einem Land, das im Krieg war und wurde in das nächste Kriegsgebiet geschickt. So arbeitete ich für zwei Jahre im Hospital Maria Pia (heute Josina Machel) in der Hauptstadt Luanda. Die Verhältnisse vor Ort waren katastrophal. Es gab Zeiten, wo die ganze Stadt ohne Strom war und ich aufgrund fehlender Medikamente und medizinischer Geräte nicht alle Kinder retten konnte, die ich zu versorgen hatte. Zusätzlich hatten die Menschen mit den Folgen von Rassismus und Kolonialismus zu kämpfen. Das prägte sich sehr stark in mein Bewusstsein ein. Diese Probleme gibt es in Kuba nicht mehr, die Hautfarbe spielt keine Rolle mehr. Es ist unabdingbar, weltweit gegen jegliche Art von Rassismus und Kolonialismus anzukämpfen.

Bunkistas:

Genau diese Probleme erleben aktuell viele ehemalige Kolonien in der Covid-19-Pandemie, denen die imperialistischen Staaten Impfstoffe verweigern. Kuba wird durch die US-Blockade daran gehindert, Beatmungsgeräte zu erwerben. Trotzdem kommt man hier im weltweiten Vergleich gut durch diese Krise. Sehen sie ein Ende der Pandemie in Kuba? 

Aleida:

Ich sehe Kuba auf einem positiven Weg. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten, konnten wir eigene Impfstoffe produzieren, ausgelegt, für die Gesundheit der Menschen, nicht für die Profite der Konzerne. In der Folge ließ sich die Mehrheit der Kubanerinnen und Kubaner ohne Wenn und Aber impfen (Stand 05.06.22: 90 Prozent vollständig geimpft und ca. 7,3 Millionen geboostert). Ich denke, dass es für das kubanische Volk anfangs sehr schwer war, die Abstandsregeln einzuhalten. 

Bunkistas:

Gewöhnungsbedürftig für Kubanerinnen und Kubaner, oder? 

Aleida:

Wir sind sehr kontaktfreudig. Aber die Leute konnten sich größtenteils an diese Regeln halten. Was leider geblieben ist, sind die Schlangen vor den Geschäften, um Lebensmittel kaufen zu können. Ich denke aber, dass die Pandemie in Kuba momentan unter Kontrolle ist und wir die pandemische Lage noch dieses Jahr überwinden. 

Bunkistas

Nach ganzen zwei Jahren erfolgreicher Pandemiebekämpfung, war es endlich wieder möglich, einen der wichtigsten Feiertage Kubas, den 1. Mai, mit Großdemonstrationen zu feiern. Was bedeutet das diesjährige Motto „Cuba vive y trabaja“ („Kuba lebt und arbeitet“) für Sie? 

Aleida:

Das Motto ist weniger wichtig. Wichtig ist, dass viele Menschen am 1. Mai auf die Straße gegangen sind. Wir haben aktuell viele Schwierigkeiten. Ein paar Beispiele: Busse funktionieren nicht. In Kuba gab es schon immer Probleme, einen effizienten Personennahverkehr aufzubauen. Es gab ein Angebot aus der damaligen Volksrepublik Ungarn, uns neue Busse zu liefern. Aber die waren viel zu teuer, obwohl sie zum sozialistischen Lager gehörten. Zu den realen Problemen gehört auch das Zubereiten von Essen, wenn es an Speiseöl fehlt. Kuba produziert kein Öl und muss es deshalb importieren lassen. Das ist schwierig, aufgrund der Blockade der USA. Allgemein fehlt es an wichtigen Produkten des täglichen Bedarfs, wie Treibstoff oder Medikamente. Bei zweiteren ist es so, dass wir die Möglichkeit haben, sie selber herzustellen, uns aber dazu die nötigen Rohstoffe fehlen. Wir müssen sie wegen der Sanktionen überteuert einkaufen. Trotzdem: Wir gehen unseren Weg weiter. Komme was wolle. Das meint das Motto „Cuba vive y trabaja“. 

Vielen Dank für das Gespräch und wir wünschen weiterhin alles Gute!

Von Hannes und Gabriel 

Ein Gedanke zu „„Wir gehen unseren Weg weiter, komme was wolle““

  1. Muchas gracias, für das sehr interessante Interview mit Aleida Guevara. Eine offene und respektvolle Fragen-Auswahl bzw. Fragestellung. Das positive Bild was ich von Aleida durch zwei Begegnungen und Artikel der Jungen Welt gewonnen habe, rundet sich mit diesem Interview sehr gut ab. Che wäre stolz auf seine Tochter.

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